Eine andere europäische Flüchtlingspolitik ist notwendig

23. Januar 2015

Frank Schwabe, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, und Gabriela Heinrich, Stellvertreterin:

Italien und Deutschland müssen die Flüchtlingspolitik in Europa gemeinsam vorantreiben. Vor allem dürfen Flüchtlinge nicht lebensgefährlich übers Meer geschickt werden. Ziel muss eine sofortige umfassende humanitäre Hilfsmission der EU im Mittelmeer sein sowie die Möglichkeit, bereits in den Herkunfts- und Transitländern einen Asylantrag zu stellen.

Wir brauchen eine europäische Flüchtlingspolitik, die den europäischen Ansprüchen an Humanität und Einhaltung von Menschenrechten gerecht wird. Das ist heute nicht der Fall. Deutschland und Italien haben ein gemeinsames Interesse, Motor einer solchen Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik zu sein. Zu diesem Ergebnis kamen wir bei unseren Gesprächen in Rom, u.a. mit dem Vorsitzenden des italienischen Menschenrechtsauschusses. Einigkeit bestand darin, dass es umgehend eine europäische Mission zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer geben müsse. Das italienische Programm Mare Nostrum war effektiv und muss der Mindeststandard für eine EU-geführte Mission sein.

Ein solches Rettungsprogramm allein greift aber zu kurz. Europa muss die Flüchtlingspolitik neu denken und Konzepte entwickeln, um die Flüchtlinge nicht auf die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer zu zwingen und um das Schlepperwesen zu unterbinden. Menschenhändlern muss der Geldhahn zugedreht werden - auch, weil aus den Gewinnen Terrorismus und Bürgerkriege bezahlt werden. Stärker in die Pflicht genommen werden muss auch die Türkei. Insbesondere den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen müssen andere Wege als die Mittelmeerroute aufgezeigt werden. Deshalb braucht es europäisch abgestimmte Resettlementprogramme, deren Verfahren syrien-nah betrieben werden. Für die "klassischen" Asylsuchenden braucht es ebenfalls die Möglichkeit, jenseits des Mittelmeeres Asylverfahren einleiten zu können.

Die Dublin-Regeln funktionieren nicht. Deshalb müssen sie korrigiert werden. Wir brauchen eine Neuregelung für zunächst sechs bis acht der am meisten betroffenen EU-Staaten, ohne die anderen Staaten perspektivisch aus der Pflicht zu entlassen. Ein Element dabei müsste auch die gegenseitige Anerkennung von positiven Asylentscheidungen sein.

Die Lage der Flüchtlinge in Italien selbst ist sehr unterschiedlich. Neben guten Einrichtungen, die eine bessere Betreuung und Integration als in Deutschland ermöglichen, gibt es auch menschenrechtlich unhaltbare Zustände in großen Wohnanlagen mit bis zu 4.500 Flüchtlingen. Da nicht auszuschließen ist, dass Flüchtlinge dort landen, ist eine Rückführung aus Deutschland zur Zeit problematisch.